Samba nach Corona - endlich geht's weiter
Nach langer Pause geht's endlich wieder los! Proberäume, Unterricht, Treffen in kleinen Gruppen sind wieder möglich, allerdings nicht ohne weiteres und unter Auflagen. Wie geht man's am besten an? Was muss man beachten? Wie hygienisch ist genug?
Wir haben uns mit unserem Kollegen Eddie Zuber unterhalten, der in Berlin lebt, Hauptmieter für einen der Proberäume in der 'SambaEtage' ist und somit in Kontakt mit einigen der großen Sambabands in Berlin ist. Eddie ist seit langem bei Gruppen wie Bloco Caju, Bloco Explosão (Berlins größtem Samba Reggae Bloco), Catapora und Ilù Àiya Zürich sehr aktiv, spielt außerdem ab und zu bei Sapucaiu no Samba, HeartBeaters und Bloco da Vez und ist Gründungsmitglied der Bahia Connection.
Kalango
Hi Eddie, danke, dass Du Deine Lockdown-Erfahrung mit uns teilst!
Der 'Lockdown' in Deutschland war ja nicht so streng wie z.b. in Italien oder Spanien. Habt ihr während dieser Zeit überhaupt proben können?
Eddie
Während der 'Kontaktsperre' - wie man sie in Deutschland eher bezeichnen muss - haben wir natürlich nicht als Band geprobt. Es haben aber einzelne Personen die Räumlichkeiten weiter genutzt und unter hygienischen Vorsichtsmaßnahmen auch mal zu zweit oder zu dritt mit ordentlichen Abständen, was wohl eher inoffiziell war.
Kalango
Wie fängt man als Gruppe am besten wieder an, sich zu treffen und was ist dabei alles zu beachten?
Eddie
Es kommt natürlich auf die regionalen Bestimmungen an, was erlaubt ist und was nicht. Musikschulen haben in Berlin z.B. seit dem 8. Mai wieder geöffnet, allerdings stark limitiert und nur unter Einhaltung eines ausgeklügelten Hygienekonzeptes. Abstand halten natürlich, aber auch Anwesenheits- und Kontaktlisten müssen geführt werden, damit im Falle eines Krankheitsausbruchs nachverfolgt werden kann, wer noch betroffen sein könnte. Hier dürfen aktuell 5 Schüler plus 1 Lehrer in einem Raum sein. Etwas entspannter ist es für "sonstige Bildungsangebote für Erwachsene", hier richtet sich die maximale Teilnehmerzahl nach der Raumgröße, der Mindestabstand von 1,5 m und ein Hygienekonzept sind aber auch hier Voraussetzung. In unserem 50m² Raum können wir so also mit höchstens 12 Leuten proben.
Kalango
Was fällt jetzt alles an zusätzlicher Organisation für Samba Gruppen an?
Eddie
Der Gruppenleiter muss sich und die Mitspieler darüber informieren, was erlaubt ist und was nicht. Wenn z.B. nur 5 oder 8 Leute in einem Raum spielen dürfen, muss das abgestimmt werden, damit nicht auf einmal 15 Spieler vor der Türe stehen. Kontaktverfolgung ist sehr wichtig. Der Gruppenleiter muss Email Adressen, Telefonnummern und Adressen der Spieler notieren um sicherzustellen, dass im Falle einer Ansteckung möglicherweise Betroffene informiert werden können. Es müssen auch Teilnahmelisten geführt werden. Das Dokumentieren und aufheben dieser Unterlagen ist hier verpflichtend. Wer das nicht tut, riskiert empfindliche Geldstrafen. Sehr formal alles.
Gruppenräume wie Teeküchen sind zu vermeiden, aufpassen muss man auch in Treppenhäusern und engen Gängen, wo man sich nicht gut aus dem Weg gehen kann, hier gilt bei uns im Haus die Maskenpflicht. Das Bier für nach der Probe muss von jedem selber mitgebracht werden, da die Küche im Moment gesperrt ist, es wäre ja auch ungünstig, wenn alle die gleich Kühlschranktür anfassen müssten.
Kalango
Was für Sicherheitsmaßnahmen verwendet ihr?
Eddie
Wir haben ein ein komplettes Corona Kit eingerichtet. Gleich am Eingang steht eine große Flasche Desinfektionsmittel, das heißt, jeder, der reinkommt, desinfiziert sich erst mal die Hände. In allen Toiletten gibt's jetzt Einweg-Papierhandtücher und Papierkörbe, damit nicht jeder das gleiche Handtuch verwendet. Eigentlich ist es nicht kompliziert. Alles ist machbar wenn man seinen gesunden Menschenverstand verwendet. Wichtig ist vor allem die Anwesenheitsliste, sodass im Falle eines positiven Tests alle möglichen Kontaktpersonen informiert werden können.
Wichtig ist:
- Beim Reinkommen Hände waschen + desinfizieren
- Abstand halten
- Masken tragen
- Anwesenheitsliste führen und aufheben
Kalango
Wäre es nicht einfacher, die Proben nach draußen zu verlegen?
Eddie
Wir hatten das in Erwägung gezogen und uns dann aber aus verschiedenen Gründen dagegen entschieden. Zum einen ist draußen spielen nur bedingt möglich. Regelmäßig draußen zu proben ist aber schwierig und auch nicht so gut kontrollierbar. Wir haben das Grünflächenamt Berlin angeschrieben um die Option für Extraproben auszuloten, haben aber noch keine Antwort erhalten. Man könnte sicher draußen spielen, aber es logistisch tatsächlich aufwendiger. Man muss die Trommeln ja erstmal dorthin bringen, der Transport kann in der Großstadt schnell kompliziert werden; dann gibt es sehr wahrscheinlich Anwohner, auf die man Rücksicht nehmen muss, und auch die Akkustik im Freien kann problematisch sein. Gerade für unerfahrene Gruppen ist spielen auf Rasen eine Herausforderung, noch dazu mit dem Abstand halten; der Rasen schluckt viel Sound, die Akkustik erschwert also die Probe.
Kalango
Wie reinigt ihr eure Instrumente und euer Equipment?
Eddie
Wir verwenden normales Handdesinfektionsmittel für die Reinigung der Trommeln. Hochprozentiger Alkohol verdunstet schnell, wir tun einfach etwas davon auf die Papierhandtücher und wischen die Instrumente bzw. das Zubehör, das wir gemeinsam benutzen, ab. Der Alkohol geht auch für Naturfelle, man nimmt da ja keine großen Mengen her. Wichtig ist, das Desinfektionsmittel nicht direkt auf das Fell zu tun sondern erst auf das Papiertuch. Das gleiche gilt für's Equipment. Bei Schlägeln darf der Flausch nicht angefasst werden. Bevor Sachen wieder in die Gemeinschaftskiste wandern, werden sie desinfiziert. Alles, was angefasst wurde, wird desinfiziert. Eine Umstellung, aber man gewöhnt sich dran. Wer sein eigenes Material mitbringt und das nur selber benutzt, braucht es natürlich nicht jedes Mal zu desinfizieren.
Alles, was angefasst wurde, wird desinfiziert.
Kalango
Wie ist die Stimmung bei den Gruppen?
Eddie
Es gibt ja erst mal keine Festivals und Events, trotzdem ist die Stimmung gut. Einige trauen sich noch nicht zu den Proben, aber viele kommen schon wieder, beteiligen sich an der Raummiete, unterstützen Lehrer und nehmen auch wieder regelmäßig teil. Die Leute haben auf jeden Fall Bock auf spielen!
Kalango
Was habt ihr am meisten vermisst?
Eddie
Zusammen zu sein, gemeinsam nach der Probe ein Bierchen trinken, andere Leute sehen, socialisen. Gar nicht so sehr das trommeln, eher mit Freunden zusammen zu sein.
Kalango
Sollte eine zweite Welle kommen, was würdet ihr musikalisch anders machen?
Eddie
Onlineproben und Technik Kurse vor dem Computer wurden ja eh schon angeboten. Ersatzleistungen einrichten ist auf jeden Fall wichtig und die dann z.B. über Zoom zur Verfügung stellen. Man kann sich als Gruppenleiter ja auch alleine in den Probenraum stellen und Material vorbereiten, aufbereiten, arrangieren, online zur Verfügung stellen etc. Sticktechnik ist ideal für solche Zeiten. Hoffen wir mal, dass es keine zweite Welle gibt und nicht alles so abrupt abbricht wie beim ersten Mal.
Kalango
Deine Tipps zum wieder einsteigen?
Eddie
Die Zeit nutzen, Bodypercussion machen, Youtube Videos anschauen, Inspiration suchen, Musik hören, Sticktechnik üben. Das alles sind sind Sachen, die kann man ganz einfach von daheim aus machen, auch wenn man nicht aktiv an der Trommel steht. Jeder kann am Gefühl arbeiten, das die Musik vermittelt. Zum Beispiel kann man sich von ein paar bekannten Blocos oder Sambaschulen je ein Stück raussuchen und sich damit beschäftigen, Unterschiede erkennen, Rhythmen raushören. Und Sticktechnik! Auf einem Handtuch am Tisch, auf einem Kissen, auf der Couch - es gibt 100 Orte, an denen man das üben kann.
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Eddie Zuber ist Untermieter für einen der Proberäume der ‘SambaEtage’ in Berlin, der zum Verein Bloco Caju e.V. gehört (gemeinnütziger Verein für die Afrobrasilianische Percussion in Deutschland). Eddie arbeitet seit 2015 unter anderem bei Kalango und ist seit 22 Jahren in de Sambaszene unterwegs. Er hat Workshops am Sambasyndrom in Berlin und auf der Sambanale Badbergen gegeben, coachte einige Zeit die Gruppe Ilù Ayà (Samba Reggae Zürich) in der Schweiz und ist oft als Assistent und Dolmetscher für bekannte afrobrasilianische Musiker unterwegs, z.B. mit Mestre Memeu (Olodum), César Veloso (ehem. Malê Debale), Mario Bomba (Muzenza), Mestre Gordo (Cortejo Afro), Marivaldo Paim (Ilê Ayiê), Mario Pam (Ilê Ayiê), Crá Rosa (Barcelona).
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Videos unten mit Ideen für Probenbetrieb (allein) daheim, online (z.B. über Zoom), mit weniger Leuten als sonst etc.:
- Bodypercussion
- Malê Debalê erklärt Instrumentierung
- Top 5 Paradinhas zum Zu Hause üben
- Pandeiro, Tantan, Tamborim playalong
- Sticktechnik für daheim
- Olodum erklärt Instrumentierung und Stimmen
Foto: Matti Malandro
Modells: Maxime & Micha - herzlichen Dank! :)